Mit "Crank" haben sich die beiden Autoren und Regisseure Mark Neveldine & Brian Taylor aus dem Nichts heraus einen Namen gemacht. Denn der durchgedrehte und durch und durch aussergewoehnlich inszenierte Film verstand es - zumindest bei den Action-Fans - durch und durch zu punkten. Selbstverständlich hatte dies eine weniger ueberzeugende und finanziell eher gefloppte Fortsetzung zur Folge, die zwar auf die selben Beilagen zu setzen verstand, aber irgendwie nicht mehr den Charme und die Ueberzeugungskraft des Vorgaengers hatte.
Mit "Gamer" bringen die beiden nun einen neuen, eigenstaendigen Film auf die Leinwand, der in Sachen Realisation mit seiner schnellen Schnittfolge und aussergewoehnlichen Bilder durchaus auf das Erfolgsrezept "Crank" anzusetzen, jedoch nicht 1:1 zu kopieren versteht und auch den dort vorhandenen Humor vermissen laesst. "Gamer" versteht es so jedenfalls gekonnt, sich als eigenes Werk mit Wiedererkennungswert und nicht als billiges Plagiat zu praesentieren. Gut so!
Inhaltlich ist eine gewisse Aehnlichkeit zu "Surrogates" mit Bruce Willis in der Tat nicht zu verleugnen, ohne dass ich nun allerdings hier irgendeinem Film Klau-Absichten unterstellen moechte. Denn selbst wenn dem bei "Gamer" der Fall sein sollte, immerhin beruht "Surrogates" ja auf einer vorhandenen Kurzgeschichte, haben die beiden Macher genuegend an der (nicht nur inhaltlichen) Schraube gedreht, um hier ansonsten durchaus einen eigenstaendigen Film zu praesentieren.
Auch in "Gamer" gibt es einen 'genialen Kopf' - verkoerpert von Michael "Dexter" C. Hall - der es durch seine Erfindung ermoeglicht, andere Personen 'fern zu steuern' und gemuetlich vom Sessel aus zu Hause zu steuern. Doch schon hier setzt ein entscheidender Unterschied zu "Surrogates" an: Waehrend man 'dort' sein eigenes Ich ueber die Strassen lenkte, steuert man bei "Gamer" eine andere Person, die - quasi real - in der virtuellen Welt vorhanden und auch, ein weiterer Unterschied, theoretisch sterben koennte.
Erstreckte sich diese Erfindung zuerst nur ueber ein 'quasi' reales (und absolut grandios dargestelltes) Second Life namens Society (die ultimative, kuenstliche Umgebung, in der User keine virtuell animierten Charaktere kontrollieren, sondern tatsaechliche reale, lebende, menschliche Personen. Sie bewegen sie, Sie reden fuer sie, Sie gehen shoppen und Sie rocken sie, so die erklaerenden Worte im Film. Du wirst bezahlt, um kontrolliert zu werden - oder Du bezahlst um zu kontrollieren, ergaenzt der Erfinder im Weiteren.) wurde die Erfindung von seinem Schoepfer finanziell lukrativ ausgeweitet.
There will be Blood!
Slayers, so dessen Name, welches kontroverse Diskussionen auszuloesen verstand. Society laesst uns durch andere Leben. Slayers laesst uns durch andere Sterben, so die Erklaerung der Reporterin. Slayers gibt dem Gamer volle Kontrolle ueber einen Menschen aus Fleisch und Blut. In einem originalgetreuen Kampfszenario um Leben oder Tod. Und wenn wir aus Fleisch und Blut sagen, dann meinen wir: Aus Fleisch und Blut!. Eine Aussage, die sofort bildgewaltig untermauert wird.
"Spielstand"
Gerad Kable Butler
Die realen Personen, die hinter dieser Simulation stecken sind: Strafgefangene, die zum Tode verurteilt wurden und die durch das zur Verfuegung stellen in Slayers die Moeglichkeit bekommen, ihrer Strafe zu entkommen. Wenn... ja wenn sie es bis in die letzte Runde schaffen und diese dann auch ueberleben. Naja, genaugenommen nicht sie, sondern deren Steuerperson. Denn sie - die Gefangenen - sind nur Kanonenfutter in den Haenden Ihrer Spieler.
Einer davon ist Kable, der kurz davor steht in die letzte Runde einzuziehen und in Freiheit entlassen zu werden. Die Frage ist nur: Wird das auch von den Verantwortlichen zugelassen? Denn hinter Kable versteckt sich ein weiteres Geheimnis, welches ihn - zu recht oder zu unrecht hier die Frage - ueberhaupt erst in den Todestrakt und damit ins Spiel gebracht hat...
Kritik: Filmerfahrene werden beim Lesen sicherlich sofort an weitere Filme gedacht haben, die sich eines im Grundsatz aehnlichen Themas bedienen: Als Erbe des Ganzen, der deutsche Skandal-Spielfilm "Das Millionenspiel", welches durch "Running Man" und auch dem franzoesischen "Kopfjagd - Preis der Angst (Le prix du danger)" entsprechende Neuverfilmungen fand. Hie und da fuehlt man sich noch ein bischen von anderen Filmen wie "Fortress - Die Festung" oder "Flucht aus Absolom" inspiriert.
Doch auch wenn ueber "Gamer" scheinbar komplett der Schatten Plagiat oder Remake zu stehen scheint, wuerde ich das so schlichtweg nicht stehen lassen. Denn: Auch wenn das Thema bekannt erscheint, die Realisation und Praesentation macht aus "Gamer" definitiv einen neuen und eigenstaendigen Film!
Und der haut gleich von der ersten Minute an richtig rein und laesst mit der sanften Hardrock-Version des Eurythmic-Klassikers "Sweet Dreams" die Lautsprecher wackeln. Die folgenden Kampfszenen machen hier gleich von der ersten Minute an klar: "Gamer" reizt nicht nur die Soundanlage bis an ihre Grenzen aus, "Gamer" setzt auch klar auf eine optische Overkill-Erscheinung, die wir so auch noch nicht gesehen haben. Die surreale Mischung aus stylisch und schmutzig zugleich wirkt ebenso genial wie ungewohnt. Fast schon Tabu brechend. Gewalt in Weiss, der Farbe der Unschuld. Das Gute in dunklen Bildern praesentiert und die Perversitaet der virtuellen Welt erscheint in quitschbuntem Kaugummidesign, wirkt heile und boese zugleich. Grandios! Man kann hier viel reininterpretieren! Man kann es aber auch lassen und einfach die Emotionen und Kraft der Bilder auf sich wirken lassen. Sich dem optischen und auditiven Overkill schlichtweg ergeben und einfach nur 'geniessen'.
Doch das sagt sich so einfach, muss man hier wohl nun gleich die Warnung an zart beseidete und normale Film-Schauer aussprechen: "Gamer" vereint viele Attribute in sich: Nutzlos, Gewalttaetig, Hipp, Rasant, Wackelig. Um nur einige zu nennen, die mir beim Sehen in den Kopf kamen. A porpos gewalttaetig: Hier muss man schon ganz klar sagen: "Gamer" ist EXTREM gewalttaetig! Hier wird nicht gespart mit praesentierter Gewalt und fliegt der Kopf weg, dann spritzt das Blut auch dementsprechend. Und das nicht zwingend links hinten im Eck, sondern in Mitten auf der Leinwand.
Nun darf jeder selbst entscheiden, ob der Film bis dahin fuer ihn geeignet oder nicht...
Kyra "The Closer" Sedgwick
Was die Darsteller von "Gamer" belangt, sollte der Film bei mir eher negative Wirkungen ausloesen. Denn weder empfinde ich Gerard "300" Butler als einen guten Darsteller, noch mag ich Kyra "The Closer" Sedgwick wirklich gerne sehen. Ersterer hat fuer mich persoenlich keine Schauspielbegabung und stellt fuer mich eher eine regungslose Kartoffel im Suppentopf dar, waehrend mich bei Zweiterer, voellig unbeachtet von ihrem Talent, schon die Breitmaulfrosch-Lippe und das extrem unaesthetisch ansehbare Knochengeruest der Marke Hungerhaken mehr ab- denn anturnt. Doch fuer "Gamer" machen sie ihre Sache entsprechend gut bzw. wurden ihren Rollen entsprechend gut gecastet und ausgesucht.
Den Vogel schiesst in "Gamer" allerdings Michael C. Hall ab. Was der sympathische "Dexter"-Serienmoerder-Darsteller in "Gamer" an Schauspielkunst auf die Leinwand zaubert, ist fuer mich persoenlich eine der oscarverdaechtigsten Darstellungen eines Charakters, die ich in meinem Leben jemals gesehen habe. Ganz anders, als Michael C. Hall sonst agiert, verleiht er der Rolle des lasziv-genial-verrueckten Genies mit definitiver Macke im Hirn einen Ausdruck, die in ihrer Genialitaet kaum mehr zu toppen ist. Die arrogante und zugleich laessige Art des Charakters wird auf eine Art und Weise verkoerpert, wie sie nicht haette besser zur Geltung gebracht werden konnen. Spaetestens beim an sich voellig bekloppten (Schatten-)Taenzchen gegen Ende des Filmes offenbart sich aber, wie grandios Michael C. Hall hier spielt. Und wenn einige sich an genau dieser Szene auch stoerten, ist sie fuer mich persoenlich das absolute Highlight des Filmes und das Sahnehaeubchen auf einer ueberwaeltigenden Darstellerleistung, vor der ich nur meinen Hut ziehen kann. He got my under his skin... Allein diese Schauspielleistung ist, auch wenn sie viel zu selten zum Einsatz kommt, das Ansehen des Filmes wert.
Doch auch die restlichen Rollen koennen sich durchaus sehen lassen. Zwar kaum wirklich namhaft besetzt, erscheint einem doch jedes Gesicht irgendwie bestens bekannt. Eine weitere, perfekte Inszenierung eines Filmes, der eben mit der Verzerrung der Realitaet und purer Blendung nicht nur inhaltlich punktet.
Als kleinen Leckerbissen versteht es "Gamer" zusaetzlich, noch viele kleine Gimmicks zu praesentieren. Wer zu Zeiten von Defender und Asteroids aufgewachsen ist, wird hier jedenfalls leichte Neidgefuehle auf die Filmausstatter bekommen. Und auch das vermenschlichte Kugel-Klimper-Spiel ist nur eine von zahlreichen, optischen wie ideenreichen Rafinessen.
Leider, leider laesst sich all das Positive aber nicht bis zum Ende des Filmes aufrecht erhalten. Denn auch wenn meine Begeisterung fuer "Gamer" nach wie vor vorhanden und ueber allen Massen, so laesst sich nicht verschweigen, dass er gegen Ende leider massiv abbaut. Denn kaum ist der Coup geglueckt und wird die inahtliche Story verfolgt, sinkt "Gamer" wirklich und leider so gnadenlos ab, dass es phasenweise an Unertraeglichkeit grenzt. Vor allem dann, wenn man es mit dem bisher Gesehenen vergleicht. Gerade mal die Oberflaeche kratzend wird nun ein seichtes wie unpassendes Familien-Schmalz-Drama erzaehlt, welches "Gamer" nicht wuerdig ist. Zumindest nicht in dieser Art und Weise. Und der eigentliche Hoehe- und Schlusspunkt eines solchen Filmes - der Endkampf - ist an Laecherlichkeiten kaum mehr zu unterbieten und stellt einfach nur einen peinlichen Schlusspunkt eines sonst so grandiosen Filmes dar.
Vergleich - Surrogates vs. Gamer: Kurz und knapp: Diese beiden Filme lassen sich ueberhaupt nicht miteinander vergleichen! Auch wenn sich die inhaltlichen Ueberschneidungen kaum leugnen lassen, sind beide Filme so unterschiedlich, wie man unterschiedlicher nicht sein kann. "Surrogates" ist ruhig, besonnen. Geradlinig inszeniert, seine Story verfolgend. "Gamer" ist all das, was hier gerade gesagt wurde: Schrill, hipp, quitschbunt und weit davon entfernt, ernstgenommen werden zu wollen.
Fazit: Fuer mich war "Gamer" ein grandioses Erlebnis, welches im Ende leider sehr zu enttaeuschen verstand. Ohne irgendeine in Frage stellung schienen die 10 Punkte an sich sicher. Doch am Ende, waren sie es leider nicht und man muss differenzieren. "Gamer" bekommt von mir folgende Punkteverteilungen:
1a Darstellerriege und -leistung, allen voran und allein schon wegen Michael C. Hall: 10/10
Optische Praesentation: 10/10
Audio / Soundtrack: 10/10
Regieleistung: 10/10
Gewaltpotential: 10/10
Erste Filmhaelfte: 10/10
Zweite Filmhaelfte: 3/10
Endkampf & Filmauflösung: 1/20
Das macht dann, laut Adam Riese: 10 + 10 + 10 + 10 + 10 + 10 + 3 + 1 = 64/80 = 8/10
Allerdings moechte ich nochmal erwaehnen, dass allein schon die Machart von "Gamer" nicht jeden ansprechen wird. Die zusaetzliche Gewalt wird bei Einigen weitere Abschreckung mit sich bringen.
"Gamer" ist kein Film fuer die breite Masse, sondern eher fuer diejenigen, die schon alles Gesehen haben und eine absolute Abwechslung in Sachen Praesentation und Darbietung suchen. Experimentell offen eingestellte koennen (und duerfen) natuerlich auch einen Blick riskieren...
Kleine Bemerkung am Rande: Wusstet Ihr, dass es einen Golden Trailer Award gibt? Also, ich wusste es zumindest nicht. Hier werden Filmtrailer ausgezeichnet, zu denen es noch keinen fertigen Film gibt. Ob das nun irgendeinen Wert hat oder Sinn macht, sei dahingestellt. Aber "Gamer" hat diesen Preis eingeheimst...
PS: Wer zur Hoelle hat dieses deutsche Cover entworfen?
Schöne neue, bunte Welt. "Gamer besticht durch schrille, abgefahrene und grandiose Optik!
Weitere Cover:
Original-Trailer (Englisch)
Trailer (Deutsch)
-------------------- Nicht mehr alle Tassen im Schrank? - Dann stell doch Gläser rein!
King of Bollywood alias MacGyver-Sid alias Bill Murray von MBL
Gruppe: Admin
Beiträge: 65030
Mitgliedsnummer.: 9
Mitglied seit: 27.04.2003
Meine Guete Auch schon wieder fast 13 Jahre her
Nun, gab ein Rewatch... ich unterstreiche meine obige Kritik eigentlich nahezu 1:1 und selbst wenn er bereits 13 Jahre alt ist, hat er von seiner eigentlichen Faszination nicht wenig verloren und auch optisch stellt sich da in meinen Augen nicht wirklich eine Alterung ein.
-------------------- Nicht mehr alle Tassen im Schrank? - Dann stell doch Gläser rein!
Thema wird von 1 Benutzer gelesen (1 Gäste und 0 Anonyme Benutzer)